Anderthalb Jahre voller Veränderungen liegen hinter mir, und ich schaue dankbar, manchmal mit Staunen, manchmal mit Schmerz, zurück auf all das, was ich erlebt habe. Jetzt bin ich wieder hier in Deutschland, und bevor ich euch einen kleinen Einblick gebe, wie sich das so anfühlt, möchte ich euch ein wundervolles neues Jahr 2024 wünschen, in dem Mut und Frieden von innen zunehmen, unabhängig von den Stürmen unserer Zeiten, wenn wir Freunde Gottes sind.
Ich bin im Herbst 2023 wieder zurück nach Hause gekommen, und kurz darauf nach Süddeutschland gezogen. Die letzten Wochen in Bangkok waren intensiv. Ich arbeitete normal weiter, zog einmal um, hatte jede Menge Abschiedstreffen und schon wieder das Gefühl, ein Stück meines Lebens aufzugeben. Ein knappes Jahr war genug Zeit, um sich an diesem Ort zu Hause zu fühlen, mit einer alltäglichen Routine zu leben und viele Menschen wirklich lieb zu gewinnen. Ich freute mich auf die Rückkehr, aber wusste auch, dass ich vieles und viele vermissen würde. "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt", sagt man - aber was man gewonnen hat, muss man manchmal wieder hergeben, und das kann weh tun. Trotzdem bereue ich nicht, das Wagnis eingegangen und mich auf ein Leben in dieser mir damals so fremden Welt eingelassen zu haben. Ich trage das, was ich gesehen, gehört, geschmeckt, gefühlt habe, weiter in meinem Herzen.
Meine letzte Zeit in Thailand
Als meine Abreise erst langsam und dann immer schneller näher rückte, wurden einige Fragen in meinem Herzen laut. Eine davon war, ob ich wirklich erfüllt hätte, wozu ich ursprünglich gekommen war, oder ob ich etwas verpasst hätte. Ich wusste, dass man so etwas nicht unbedingt an Zahlen und Statistiken ablesen kann, und dass mir niemand auf dieser Welt diese Frage wirklich zufriedenstellend beantworten können würde. Die Frage belastete mich, und so bat ich meinen Liebsten, mir Antworten darauf zu geben.
Kurze Zeit später traf ich mich nacheinander nochmals mit fast allen Menschen, die mir wichtig geworden waren, und da verstand ich noch einmal: Sie waren der Grund, weshalb ich hier gewesen war. Nein, viele Erwartungen anderer Menschen, die sich zwischendurch nach mir erkundigt hatten, hatte ich nicht erfüllt, und ich hatte ihnen über meine Zeit in Thailand nicht das berichtet, was sie gerne gehört hätten. Aber ich hatte geliebt, so gut ich konnte, und mein Herz geöffnet für die, die ihr Herz mit mir teilen wollten.
Ich denke an die vielen persönlichen Momente zurück, die ich wie Schätze in meiner Erinnerung aufbewahre und die niemand sehen konnte als nur wir und der Himmel, an die Worte, die Tränen und das Lachen und alles, was wir miteinander teilten. Jemand hat mal gesagt: "Die Summe unseres Lebens sind die Stunden, in denen wir liebten", und ich denke heute, dass das wahr ist.
Diese Menschen, die ein Jahr zuvor noch Fremde gewesen waren, sagten mir zum Abschied Dinge, die mich tief in meinem Innersten trafen und die ich nicht vergesse. Sie beantworteten meine Frage, ohne sie zu kennen, und ich konnte mit Frieden und Trost im Herzen für´s Erste einen Schlussstrich ziehen. Gleichzeitig habe ich dieses schöne Gefühl, dass es da irgendwo auf dieser Welt Orte und Menschen gibt, mit denen ich verbunden bin und bei denen ich einen Platz habe - so wie auch sie bei mir.
Das befremdliche Altbekannte
Wieder in Deutschland anzukommen, war eine denkwürdige Erfahrung. Ich war von meinen "Ausländerfreunden" in Bangkok schon davor gewarnt worden, dass die Anfangszeit in der alten Heimat oft schwierig sei und man sich etwas Zeit geben müsse, und zum Teil erlebte ich das auch so. Sie hatten mir ein paar hilfreiche Hinweise und Tipps gegeben, für die ich dankbar war. Es ist irgendwie faszinierend und in manchen Punkten auch etwas traurig, wie etwas, das man so gut kennt, einem so fremd vorkommen kann.
Schon als ich das Flugzeug verließ, konnte ich kaum glauben, was für eine frische Luft ich da atmete. Auf einmal verstand irgendetwas in mir, dass ich jetzt tatsächlich da war, wo ich herkam. Ich wusste nicht so recht, ob sich das schön oder seltsam anfühlte. Ich war auch ziemlich müde von der langen Reise. Mein Bruder und meine Cousine warteten schon in der Ankunftshalle mit Luftballons auf mich. Mir kam alles vor wie ein Traum. Ich fühlte mich wie die Hauptdarstellerin einer fremden Geschichte.
Wir fuhren auf der Autobahn das letzte Stück der Reise bis nach Hause. Ich stellte mich innerlich wieder auf den Rechtsverkehr ein, aber erschrak immer wieder bei ganz banalen Fahrmanövern. Dabei waren die Fahrten in Bangkok oft um einiges abenteuerlicher gewesen...
Ich wollte anfangs erstmal nicht Auto fahren. Seit meiner Abreise aus Deutschland hatte ich nicht mehr am Steuer gesessen. Als ich mich irgendwann dazu überwand, hatte ich erstmal ein paar Flashbacks aus der Fahrschulzeit. Aber letztendlich kam ich doch relativ schnell wieder rein.
Dann war ich zum ersten Mal seit meiner Ankunft wieder einkaufen. Es mag der Tatsache geschuldet sein, dass ich ohnehin stark auf verschiedene Reize reagiere und dass ich den Supermarkt nicht kannte, aber alleine wäre ich mit dem Großeinkauf wohl nicht sehr weit gekommen. Die Produkte in den endlosen Regalen waren mir fremd, ich hatte keine Ideen, was ich zubereiten könnte und dementsprechend besorgen müsste, die Preise waren utopisch und die Menschen so völlig anders. Ich empfand, dass wohl jeder mir ansehen musste, wie es mir ging, und kam mir schon wieder wie ein Ausländer vor.
Mir fiel stark auf, wie anders die Menschen sich hier geben. Hier denkt, fühlt, handelt man zum Teil so anders als in anderen Teilen der Welt. Andere Dinge sind wichtig, andere Werte stehen im Vordergrund, ein anderer Maßstab wird hergenommen, ganz selbstverständlich. Mir war nicht bewusst, wie sehr ich mich doch eingelassen hatte auf das Setting meines dortigen sozialen Umfelds. Ich hatte zwar nicht ansatzweise hundertprozentig hinein gepasst, aber innerlich schlug ich trotzdem Purzelbäume, als ich mich nun wieder neu einstellen musste.
Ein paar persönliche Lektionen, die ich für mich mitgenommen habe
Von den Dingen, die ich gelernt habe, möchte ich gerne diese drei Gedanken mit euch teilen:
"Normal" ist ein sehr relativer Begriff. Man kann im gewohnten Alltag kaum auffallen, und einen Katzensprung entfernt fühlt man sich wie ein Außerirdischer. Ich schätze schon seit einigen Jahren die Erfahrung wert, die eigene Seifenblase zu verlassen und neue "zwischenmenschliche Welten" und auch Weltanschauungen zu entdecken. Das können ja auch schon ein Umzug, ein neues Hobby, eine andere Arbeitsstelle oder neue Freunde mit sich bringen. Da ist mit der Zeit eine Wertschätzung in mir dafür gewachsen, zu sehen, was wirklich gut und richtig und was hingegen austauschbar und verzichtbar ist. Es kann anfangs beängstigend sein, die eigene "sichere" Umgebung und auch Weltsicht aufzugeben, aber sie fühlen sich wohl nur deshalb sicher an, weil man sie kennt. Die Welt und diejenigen, die darauf leben, sind so reich. Es wäre jammerschade, das zu verpassen.
Wer Sprachen lernt, investiert in Menschen - und in sich selbst. Ungespielte Liebe und echte Herzlichkeit sind Sprachen, die man auf der ganzen Welt spricht, und die man unabhängig von Alter und Bildungsstand lernen kann. Auch ein Lächeln versteht man überall. Ich denke, dass wir investieren dürfen in unsere Herzen, damit sie in diesen Sprachen fließend werden.
Es gab viele Momente, in denen ich mir gewünscht habe, wirklich verstanden zu sein - sei es in Bangkok oder in Deutschland. Irgendwie tröstete es mich, als ich einmal in meiner Bibel den folgenden Vers las: "Don’t expect anyone else to fully understand both the bitterness and the joys of all you experience in your life." - Auf Deutsch: "Erwarte nicht, dass irgendjemand anderes sowohl die Bitterkeit als auch die Freuden all dessen vollständig versteht, was du in deinem Leben erlebst." (Sprüche 14,10). Ich denke, das ist auch einer der Gründe, warum ich es so sehr liebe, in Beziehung mit Gott zu leben: Er ist der Eine, der wirklich versteht. Und das ist er auch für diejenigen, die wiederum ich nicht verstehe.
Danke fürs Lesen. Ihr seid wertvoll und geliebt.
Eure Jenny
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